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21. Dezember 2017

Bauwelt Kongress 2017: Zukunft Wohnhochhaus?

Gibt es einen neuen Hochhausboom in Deutschland? Immobilienentwickler, Stadtplaner und Architekten sprechen sich aktuell vermehrt dafür aus, das Hochhaus-Tabu endlich zu brechen. Unter dem Leitgedanken „The Big Picture – Zukunft Wohnhochhaus? “ wurde auf dem Bauwelt Kongress 2017 unter der Leitung von Boris Schade-Bünsow und Kaye Geipel mit Architekten, Stadtplanern, Professoren und Projektentwicklern diskutiert.

97 Wohnhochhäuser sollen in den kommenden fünf Jahren in ganz Deutschland in den Himmel wachsen. Allein in Berlin sind 27 Türme bis 2022 geplant. Diese Zahlen machen deutlich, dass in Deutschland seit einiger Zeit ein Umdenken in Bezug auf Wohnhochhäuser stattfindet. Noch vor wenigen Jahren war die Zahl der Hochhäuser jenseits der 100 Meter in deutschen Großstädten überschaubar, der Großteil der Türme waren Bürogebäude. Nun deutet sich an, dass nach dem ersten Hoch des Wohnturmbaus in den 1970ern wieder ein Niveau erreicht wird, das den ersten Boom nicht nur übertrifft, sondern sich auch qualitativ vollkommen von diesem unterscheidet.

Gleich zu Beginn des Kongresses präsentierte Heinz Bude seine Thesen zur Stimmung der Verdichtung – die vertikale Stadt in der verbauten Gesellschaft. Dominique Perrault erläuterte seine Gedanken zur „Vertical City E +“ und das Hochhäuser als Nachbarschaft verstanden werden, die ein breites Spektrum von Anwendungen und Funktionen beherbergen und Synergieeffekte dank programmierter Energiebörsen schaffen sollten.

Der Architekt Jacob van Rijs stellte das kürzlich mit MVRDV in einem Wettbewerb gewonnene Projekt The Sax im Zentrum von Rotterdam vor. Außerdem weitere frühere Hochhausprojekte von MVRDV wie Folie Richter, China Hills und Valley. Andreas Bründler von Buchner Bründler Architekten den Garden-Tower in Wabern, Bern vor, der exemplarisch für eine neue Art von Wohnhochhaus steht. Justus Pysall von Pysall Architekten sprach über sein Projekt „Wohnen über der Spree“. Ein von Agromex initiiertes Projekt mit zwei Wohntürmen mit 110 Metern beziehungsweise 99 Metern Höhe. Claudia Meixner von dem Architekturbüro Meixner Schlüter Wendt entwickelt ihre Konzepte analog zu anderen Projekttypologien auch bei Hochhäusern aus dem Kontext. Ole Scheren stellte in seinem Vortrag aktuelle Hochhausbeispiele seines nach dem Motto „Sinn, Rigorosität und Transformation“ operierenden Büros vor, darunter auch den kürzlich angekündigten „RIVERPARK Tower“ in Frankfurt am Main.

Experten sind sich einig, dass Wohntürme ideale Experimentierfelder für innovative Wohnformen sein können. Entscheidend dabei ist die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Menschen von morgen, eine Anbindung an das umgebende Stadtquartier und eine Abkehr von der Monofunktionalität der damaligen Bautypen. Damit sind Wohntürme nicht als die abschließende Antwort auf den Wohnraummangel in den Großstädten zu sehen, dennoch haben sie einen wichtigen Stellenwert als städtebauliche Sonderform, da sie einen Beitrag zur polyzentrischen Stadtentwicklung leisten können. Aus städteplanerischer Sicht werden Wohnhochhäuser für eine moderne Wohninfrastruktur unerlässlich sein. Denn das vertikale Wachstum ist ein entscheidender Gradmesser für die Zukunftsfähigkeit der Städte. Nicht nur, weil Bauflächen in den Innenstädten begrenzt sind, sondern auch, um die deutschen Metropolen in einer modernen, globalisierten Welt zu positionieren und innovative Wohnformen zu erproben. Aktuell befindet sich der hiesige Trend noch in der Anfangsphase, für die Experten gibt es jedoch keinen Zweifel daran, dass Wohnhochhäuser ein wichtiger Baustein für die Zukunft des modernen Städtebaus sein werden.